Titel: Amerikanisches Idyll
Autor: Roth, Philip
Infos: Aus dem Amerikanischen von W. Schmitz, München, Wien (Hanser) 1998, 576 Seiten
Bestand: 1
Nathan Zuckerman ist alt geworden. Nach einer glücklich überstandenen Prostata-Operation lebt er zurückgezogen auf dem Lande. Zuckerman ist Schriftsteller und als Erzähler eingesetztes Alter Ego von Philip Roth in dessen letzten Romanen. Was ist aus den Hoffnungen, den Lebensentwürfen seiner Generation geworden? Diese Frage stellt sich ihm auf der Feier zum fünfzig- jährigen Jubiläum seiner Abschlußklasse, als er erfährt, daß das Idol seiner Jugend, der Held der ganzen Schule, gestorben ist.
…Idol seiner Jugend, der Held der ganzen Schule…
Sie nannten ihn nur den Schweden, die Leute in dem jüdischen Viertel in Newark in New Jersey. Groß, blond und ein Topsportler ist er immer freundlich und korrekt. Als er es schafft, sich dem Einfluß seines Vaters zu entziehen und die katholische Miß New Jersey 1949, heiratet, scheint seinem amerikanischen Traum nichts mehr im Wege zu stehen.Mit Erfolg übernimmt er die Handschuhfabrik seines Vaters, kauft seiner Familie ein großes altes amerikanisches Farmhaus. Und es wird ihm die schöne, blonde Tochter geboren, die er sich wünscht.
…es wird ihm die schöne, blonde Tochter geboren, die er sich wünscht…
Aber Mary, geliebt und beschützt, beginnt sich als Jugendliche abzukapseln. Mit steigender Wut attackiert sie ihre Eltern, die -wir befinden uns in den späten 60igern – mit endloser Toleranz reagieren. Schließlich wirft sie aus Protest gegen Vietnam eine Bombe auf das lokale Postamt, ein Passant stirbt, und die 17jährige taucht unter. Die Welt des Schweden zerbricht. Jahre des Wartens und der endlosen Fragen vergehen. Als er Mary plötzlich findet, lebt sie allein und in völliger Armut in einem Abbruchhaus. Nach weiteren Anschlägen mit weiteren Toten hat sie sich einer obskuren Sekte angeschlossen, die alles Leben außer dem eigenen für heilig erachtet. Eine Kommunikation ist nicht möglich, der Schwede gescheitert.
…Eine Kommunikation ist nicht möglich, der Schwede gescheitert…
Diese ganze traurige Geschichte präsentiert uns Zuckerman im Ton einer Litanei, mit wortgewaltiger Klarheit, aber ohne sentimentale Poetik. Seine Sympathie gilt dem Schweden, Mary, die Tochter, gerät ihm zum Monster. Ihrer radikalen Wut begegnet er mit Verständnislosigkeit: ?Auch Hitler hatte einen Vater?. Es sind nicht einfach die Eltern, die an allem schuld sind; jeder Mensch steht für sich allein und kein Vater kann seine Kinder beschützen. Dieses festzuhalten ist dem alten Nathan Zuckerman wichtig. Zerbrochen ist das optimistische Vertrauen in das bürgerliche Projekt, das da lautet: mach alles richtig und arbeite hart, dann wird alles gut. Ein brillianter, altersweiser Gesellschaftsroman, für den Philip Roth den Pulitzerpreis `98 bekam.
…Ein brillianter, altersweiser Gesellschaftsroman… Juli/Ž98
Über den Autor Phillip Roth * 1933
Philip Roth wurde am 19. März 1933 in Newark, New Jersey, geboren. Er studierte englische Literatur, machte in Chicago seinen Master of Arts (1955) und lehrte nach seinem Militärdienst (1955/56) englische Literatur, zunächst an der University of Chicago (1956 – 1958), später in anderen Universitäten, darunter Princeton (1962 – 1964).
Von 1959 bis 1963 war Philip Roth mit Margaret Martinson verheiratet. Ab 1975 lebte er mit der britischen Schauspielerin Claire Bloom zusammen. 1990 wurden sie ein Ehepaar, aber vier Jahre später ließen sie sich scheiden.
Die Erfahrungen mit seinen Ehefrauen und Geliebten verarbeitete er in einigen Romanen. Autobiografische Züge weisen auch Figuren wie der Literaturprofessor David Kepesh und der Schriftsteller Nathan Zuckerman auf.
Wie kein anderer der jüdischen Gegenwartsautoren in den USA zeichnet Roth in seinem Werk auf grotesk-komische Weise die Neurosen entfremdeter jüdischer Intellektueller.
(Harenbergs Lexikon der Weltliteratur, Band 4, Seite 2493f)
Durch seine Zeilen weht nicht der Muff der Zerebralmoderne, in seiner Prosa ist kein Platz für abgestandene Theorien. Philip Roth ist immer dem Leben auf der Spur […]
Drei oder vier Obsessionen haben das Schreiben Roths von seinen Anfängen an begleitet: sein Leben als Schriftsteller, als Jude, als Sohn, als Sex maniac.
(Ulrich Raulff in „Süddeutsche Zeitung“, 19. März 2003)
1997 erhielt Philip Roth für Amerikanisches Idyll den Pulitzerpreis. 1998 wurde ihm im Weißen Haus die National Medal of Arts verliehen, und 2002 erhielt er die höchste Auszeichnung der American Academy of Arts and Letters, die Gold Medal, mit der unter anderem John Dos Passos, William Faulkner und Saul Bellow ausgezeichnet wurden. Er hat zweimal den National Book Award und den National Book Critics Circle Award und dreimal den PEN/Faulkner Award erhalten. 2005 zeichnete die Society of American Historians Verschwörung gegen Amerika als ?den bedeutendsten historischen Roman zu einer amerikanischen Thematik im Jahr 2003-2004″ aus.
Philip Roth hat vor kurzem die beiden prestigereichsten Preise des PEN erhalten: 2006 wurde er mit dem PEN/Nabokov Award ?für ein Gesamtwerk von andauernder Originalität und vollendeter Kunstfertigkeit“ und 2007 mit dem PEN/Saul Bellow Award for Achievement in American Fiction ausgezeichnet, der einem Schriftsteller verliehen wird, der dank seiner ?Leistungen während einer langen Laufbahn den höchsten Rang innerhalb der amerikanischen Literatur einnimmt“. Philip Roth ist der einzige lebende amerikanische Autor, dessen Werk in einer umfassenden, maßgeblichen Gesamtausgabe von der Library of America herausgegeben wird. Der letzte der acht Bände soll 2013 erscheinen.